In einem kürzlich publizierten Bericht stellte der Bundesrat den Stand und die Massnahmen zur Digitalisierung des Vernehmlassungsprozesses vor. Die Konova AG fasst die Erkenntnisse zusammen und gibt einen Praxiseinblick in das Thema E-Vernehmlassung.

Am 8. Mai 2020 veröffentlichte der Bundesrat den Bericht «Civic Tech und Vereinfachung des Vernehmlassungsverfahrens: Entwicklung und Massnahmen». Die Publikation wurde erarbeitet als Reaktion auf die zwei Postulate «Vernehmlassungsverfahren vereinheitlichen und effizienter machen» und «Die Chancen von Civic Tech nutzen», die Nationalrat Markus Hausammann (SVP/TG) bzw. Ständerat Damian Müller (FDP/LU) 2017 eingereicht hatten.

Mit dem Bericht zeigt der Bundesrat die Chancen und Risiken von Civic Tech auf, also technologischen Konzepten zur Stärkung von politischem Engagement und Beteiligung der Bevölkerung. Weiter wird das Thema der digitalen Vernehmlassung intensiv behandelt.

Mit der E-Mitwirkung führte die Konova AG im Jahr 2018 im Kanton Obwalden die erste digitale Vernehmlassung (E-Vernehmlassung) auf kantonaler Ebene ein. Seit dem Praxis-Proof setzen immer mehr Kantone, Städte und Gemeinde auf die digitale Plattform. Aus Sicht der bereits gewonnenen Praxiserfahrungen ist es interessant, die Aussagen des Bundesratsberichts zu beleuchten.

Der Stellenwert der Vernehmlassung

Das Vernehmlassungsverfahren ist ein in der Schweiz bedeutender politischer Prozess, der dazu dient, ein politisches Vorhaben (z.B. Gesetzesrevision) auf seine Richtigkeit, Akzeptanz und Vollzugstauglichkeit zu prüfen. Durch den Einbezug der betroffenen Anspruchsgruppen und weiteren Experten kann zudem die Qualität von politischen Vorhaben gesteigert und eine breitere Abstützung erreicht werden. So ist denn auch im Bericht des Bundesrats festgehalten: «Die Bedeutung des Vernehmlassungsverfahrens für das Funktionieren des politischen Systems darf nicht unterschätzt werden.»

Das Vernehmlassungsverfahren ist ein wiederkehrender Prozess, der sowohl auf kommunaler, kantonaler als auch nationaler Ebene angewendet wird. Die Durchführung einer Vernehmlassung kann entweder gesetzlich verordnet sein (z. B. bei Verordnungen und Vorhaben, die von grosser politischer, finanzieller, wirtschaftlicher, ökologischer, sozialer oder kultureller Tragweite sind) oder freiwillig durchgeführt werden. Auf Bundesebene wurden im Jahr 2019 86 Vernehmlassungen durchgeführt, davon ausgenommen sind zahlreiche verwaltungsinterne Vernehmlassungsverfahren.

Die Bedeutung des Vernehmlassungsverfahrens für das Funktionieren des politischen Systems darf nicht unterschätzt werden.

Bundesrat

Heutiger Ablauf einer Vernehmlassung

Wird eine Vernehmlassung durch den Bund, den Kanton oder eine Gemeinde in die Wege geleitet, publiziert die jeweilige Behörde die entsprechenden Unterlagen in der Regel auf der Website und kommuniziert die Eröffnung des Prozesses beispielsweise mit einer Medienmitteilung. Die in der Adressatenliste geführten Organisationen und Personen werden schriftlich oder per E-Mail zur Stellungnahme eingeladen. Die Vernehmlassungsteilnehmenden können die Unterlagen zum Vorhaben einsehen und die Rückmeldungen (abhängig von der Vernehmlassung) in einem Formular, per Brief oder E-Mail während einer definierten Frist einreichen. Nach der Eingabefrist werden die Stellungnahmen einzeln geprüft, intern nachbearbeitet, und es wird ein Vernehmlassungsbericht erstellt. Dieser umfasst die Eingaben und die Reaktion der Verwaltung.

Ausgehend vom Bericht des Bundesrats und von den Erfahrungen der Konova AG sind im nicht digital unterstützten Prozess folgende Schwachstellen festzustellen:

  • Das Verwalten der Adressaten sowie das Zustellen der Einladungen ist mit einem wiederkehrenden Aufwand und mehreren Medienbrüchen verbunden.
  • Die Rückmeldungen werden in der Regel unstrukturiert erfasst. Dadurch kann keine strukturierte Auswertung und Nachbearbeitung stattfinden.
  • Vernehmlassungsteilnehmende (z. B. Mitglieder von Verbänden) können ihre Stellungnahme nur sehr aufwendig erfassen, abstimmen und intern konsolidieren. Die Erarbeitung der Stellungnahme verursacht somit bei Organisationen einen hohen, administrativen Aufwand.
  • Das verwaltungsinterne Nachbearbeiten der Rückmeldungen mit den verschiedenen betroffenen Stellen und Ämtern ist anspruchsvoll und mit verschiedenen Medienbrüchen und manuellen Aufbereitungsschritten verbunden.
  • Die bestehende Gesetzgebung, die angepasste Gesetzgebung und die dazugehörigen Erläuterungen können nicht gleichzeitig durch den Teilnehmenden betrachtet und kommentiert werden (fehlende Synopsenbearbeitung).
  • Die Resultate der Vernehmlassung können in keiner strukturierten Form öffentlich zugänglich gemacht werden und sind dadurch nicht oder nur sehr schwer für die Vernehmlassungsteilnehmenden oder die Öffentlichkeit auffindbar.

Digitales Potenzial nutzen

Die Digitalisierung bietet ein grosses Potenzial, bestehende Prozesse zu optimieren und Medienbrüche zu reduzieren. Wird das Vernehmlassungsverfahren mit seiner Eigenschaft als wiederkehrender, dialogbasierter Prozess digitalisiert, können Effizienz und Qualität des Verfahrens erhöht und gleichzeitig Mehrwerte für die Verwaltung sowie die Bevölkerung (im Sinne der Vernehmlassungsteilnehmer) geschaffen werden.

Bei der Digitalisierung des Vernehmlassungsverfahrens handelt es sich nicht nur um ein technisch komplexes IT-Projekt, auch der politische Prozess wird verändert. Da zum Beispiel bei einer öffentlichen, transparenten Vernehmlassung jeder Bürger als «Experte» mitwirken kann, ist es denkbar, dass der Einfluss von intermediären Institutionen (wie beispielsweise Parteien oder Verbänden) an Bedeutung sinken kann. Des Weiteren gilt es, Anforderungen wie Datenschutz, Sicherheit und Vertraulichkeit gerecht zu werden.

Im Bericht des Bundesrats wird aufgezeigt, dass mit einer digitalen Vernehmlassung deutlich mehr Effizienz erreicht werden kann. Aufgrund der hohen Investitionen in eine entsprechende Plattform geht der Bundesrat jedoch davon aus, dass der Effizienzgewinn nicht im Verhältnis zu den zu investierenden Mitteln stehen wird. Ergänzt wird, dass die Veränderungsbereitschaft der Vernehmlassungsteilnehmenden (noch) nicht hoch genug sei, um auf die digitale Vernehmlassung umzustellen.

Wie soll es nun auf Bundesebene weitergehen? Die Bundeskanzlei wird beauftragt, bis Ende 2020 eine Projektinitialisierungsstudie zum Thema E-Vernehmlassung zu erarbeiten. Daraus sollen konkrete Massnahmen als Vorbereitung zur E-Vernehmlassung geprüft und ggf. umgesetzt werden. Eine Digitalisierung des Prozesses ist somit in den nächsten Jahren kaum zu erwarten.

Kantone und Gemeinden gehen mit gutem Beispiel voran

Die im Bericht erwähnten Chancen und Risiken sind nicht nur auf Bundesebene ein Thema. Kantone, Gemeinden und Verbände, die ebenfalls eine Vielzahl von Vernehmlassungen durchführen, beschäftigen sich ebenfalls mit der Digitalisierung von Vernehmlassungsverfahren.

Dass die digitale Vernehmlassung funktioniert und keine Zukunftsutopie ist, beweisen immer mehr Kantone. Mit der ersten produktiven E-Vernehmlassung startete 2018 der Kanton Obwalden. Im Rahmen der Richtplanrevision wurde gemeinsam mit der Konova AG die erste digitale Gesamtlösung für Vernehmlassungen entwickelt, um das Verfahren effizient, qualitativ und mit hoher Akzeptanz bei den Adressaten durchzuführen.

Der Einsatz war ein Erfolg, wie Josef Hess, Baudirektor des Kantons Obwalden, bestätigt:

Die elektronische Mitwirkung half uns, die Ergebnisse der Mitwirkung möglichst effizient und schnell auszuwerten und die notwendigen Anpassungen am Richtplanentwurf vorzunehmen

Josef Hess
Baudirektor und Regierungsrat

Auch die Vernehmlassungsteilnehmenden empfanden die digitale Vernehmlassung als positiv und schätzten den innovativen Service der Verwaltung. «Die Lösung musste nicht nur einen Effizienzvorsprung bei der Verwaltung schaffen, sondern auch Mehrwerte für Teilnehmenden. Aus diesem Grund suchten wir in der Entwicklungsphase laufend das Gespräch mit zukünftigen Teilnehmern und gewannen wichtige Erkenntnisse», erläutert Nicolas Kuster, der die Entwicklung der E-Vernehmlassung leitete.

Neben der technischen Einführung spielte die Kommunikation ein wichtige Rolle. Nur wenn die Lösung sowohl intern als auch extern verankert ist, bringt sie den vollen Mehrwert. Eine strategisch geplante Kommunikation trägt massgeblich dazu bei, die Veränderungsbereitschaft zu erhöhen und damit die gewünschte Effizienz zu erreichen.

Nach dem Projekt im Kanton Obwalden und dem erneuten Praxiseinsatz in der Stadt Solothurn entwickelte sich die Lösung zum Standardprodukt für digitale Vernehmlassungsverfahren, zur heutigen E-Mitwirkung. So setzen mittlerweile neben diversen Gemeinden und Städten auch der Kanton Zürich oder der Kanton Zug auf die praxisgeprüfte Gesamtlösung. «Mit der E-Mitwirkung konnten wir trotz den komplexen Herausforderungen und Ängsten beweisen, dass die digitale Vernehmlassung umsetzbar und realistisch ist. Die Schweiz ist bereit für die E-Vernehmlassung», so Miro Hegnauer, Inhaber der Konova AG.


Mit der E-Mitwirkung konnten wir trotz den komplexen Herausforderungen und Ängsten beweisen, dass die digitale Vernehmlassung umsetzbar und realistisch ist. Die Schweiz ist bereit für die E-Vernehmlassung.

Miro Hegnauer
Inhaber der Konova AG

Für die Nutzer der E-Mitwirkung hat sich der Einsatz nachweislich gelohnt, die Investitionen waren tragbar. Mit der digitalen Vernehmlassung konnten bereits Hunderte Stunden an Verwaltungsarbeit eingespart werden, Medienbrüche reduziert und das Vernehmlassungsverfahren transparenter und dialogorientiert gestaltet werden. Die Lösung wird kontinuierlich weiterentwickelt. So können beispielsweise seit kurzem die Ergebnisse der Vernehmlassung bei Bedarf strukturiert auf der Plattform veröffentlicht und durchsucht werden, was die Transparenz im politischen Prozess stärkt.

Gefördert wird die Lösung unter anderem auch von E-Government Schweiz, einer Organisation von Bund, Kantonen und Gemeinden für die Ausbreitung elektronischer Behördenleistungen.

Chance auf Bundesebene nutzen

Die im Bericht des Bundesrats erwähnten Herausforderungen und Voraussetzungen für die Digitalisierung des Vernehmlassungsprozesses sind der Konova AG bekannt, jedoch nicht unüberwindbar. Viele der aufgeführten Probleme wurden im Rahmen der bisher durchgeführten Projekte gelöst, bei anderen sind konkrete Lösungsansätze vorhanden. Nun liegt es am Bund, die Chance der Digitalisierung zeitnah zu nutzen und auf bereits aufgebautes Praxis-Know-how und vorhandene Erfahrungen zurückzugreifen.

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