Die Software des Zuger Start-ups Konova AG könnte helfen, die E-Partizipation in der Schweiz voranzubringen – auch über die Coronazeit hinaus. In der Gemeinde Steinhausen und im Kanton Obwalden ist sie bereits im Einsatz.

Viele Unternehmen leiden unter Corona. Diejenigen jedoch, die etwas anbieten, was Kommunikation ohne persönlichen Kontakt ermöglicht, haben Konjunktur. Das Tool «E-Mitwirkung» des Zuger Start-ups Konova gehört dazu. Es ist für den digitalen, papierlosen Dialog gedacht, unter anderem zwischen Behörden und Bevölkerung. Gemeinden, Städte oder Kantone, die die Bürger an Planungsvorhaben teilhaben lassen wollen oder müssen, hängen E-Mitwirkung einfach an die eigene Website dran. Interessierte melden sich dann online an und können von nun an ihre Meinung zu den aufgeschalteten Konzepten, Berichten oder Plänen kundtun.

Die Coronazeit hat Schwung ins Geschäft gebracht. Immer mehr Behörden kommen auf die Idee, sich über E-Mitwirkung mit den Bürgern auszutauschen. Die Gemeinde Unterägeri etwa nutzt seit kurzem das Modul Dialograum, um Videobesprechungen durchzuführen. So lässt sich die wegen des Versammlungsverbots ins Stocken geratene Ortsplanung fortsetzen.

Bürgerinnen können früher einbezogen werden

«Der digitale Weg besitzt jetzt einen höheren Stellenwert als vor Corona», stellt Inhaber und Geschäftsführer Miro Hegnauer fest. Die Frage, wie Digitalisierung unsere Kommunikation vereinfachen, ergänzen und effizienter gestalten kann, beschäftigte den Wirtschaftsinformatiker früh. Schon als er mit 15 Jahren seine erste Firma gründete, ging es um digitale Dialogführung. Gerade bei komplexen Vorhaben wie in der Raumplanung sei der Dialog ein wichtiger, wenn nicht entscheidender Erfolgsfaktor. Vieles scheitere am Akzeptanzmangel. «Die Bevölkerung wird häufig erst sehr spät einbezogen, was dazu führt, dass die Vorhaben bei Abstimmungen keine Mehrheiten finden.» E-Mitwirkung soll den Bürgern das Gefühl geben, gefragt zu werden. Mittlerweile ist es in mehreren Schweizer Kantonen, Städten und Gemeinden im Einsatz, unter anderem auch im Kanton Zug.

Die Schweiz hat in Sachen digitale Beteiligung einiges aufzuholen. Laut dem World Digital Competitiveness Ranking 2019 der Lausanner Businessschule IMD belegt sie im Bereich E-Partizipation nur den 37. Platz. Das möchte Hegnauer ändern – und da hilft es, dass E-Mitwirkung nicht auf den Dialog zwischen Verwaltungen und Bürgern beschränkt ist. Ebensogut können es Unternehmen für den Austausch mit den Mitarbeitern einsetzen oder Organisationen für den Austausch mit ihren Mitgliedern. Das Start-up mit aktuell fünf Mitarbeitenden macht hierbei gerade den nächsten Schritt in der Unternehmensentwicklung und erschliesst neue Einsatzgebiete. Derzeit geht es um Schweizer Spitäler, die 2021 die Rückmeldungen zum Versorgungsbericht verfassen müssen. Jede Spitalabteilung muss dabei ihren eigenen Bericht schreiben. Die Folge: ein gigantischer bürokratischer Aufwand. Künftig soll das alles via E-Mitwirkung koordiniert werden. Hegnauer: «Hier haben wir den internen Dialog in einer grossen Organisation – ein ganz neuer Anwendungsfall für uns.» Mit E-Mitwirkung könne die Erarbeitung und Validierung des Versorgungsberichts kollaborativ, effizient und vereinfacht erfolgen. Das trage letztlich zu einer abgestimmten und mehrheitsfähigen Lösung bei.

Die aktuelle Krise ist eine Chance, die demokratische Mitwirkung hierzulande voranzubringen.

Miro Hegnauer
Inhaber und Geschäftsführer von Konova
Miro Hegnauer

Den Nutzen von E-Partizipation für Organisationen und Unternehmen sieht Hegnauer grundsätzlich darin, «dass die Mitglieder oder die Mitarbeiter bestimmte Entscheidungen besser mittragen, wenn man sie früh einbezieht. Etwa bei Veränderungen der Organisation, der strategischen Ausrichtung oder der Firmenkultur.» Die Prozesse ähnelten hier jenen bei der Mitwirkung der Bevölkerung.

Dass Konovas Geschäftsmodell unabhängig von Corona in die richtige Richtung geht, dafür spricht die nationale Studie «Digitalbarometer 2019» der Stiftung Risiko Dialog. Demnach fordern 71 Prozent der Schweizer ein Mitspracherecht bei politischen Prozessen. «Die aktuelle Krise ist eine Chance, die demokratische Mitwirkung hierzulande voranzubringen», sagt Hegnauer. Digital liessen sich auch Bevölkerungsgruppen mitnehmen, die von Politik bisher nichts wissen wollten. Die analoge Mitwirkung werde aber nicht vollständig ersetzt. Sitzungen, Infoveranstaltungen, Versammlungen und Workshops mit der Bevölkerung werde es auch weiterhin geben.

Software nimmt Behörden fehleranfällige Arbeit ab

Im Kanton Obwalden, wo E-Mitwirkung 2019 im Rahmen der Revision des Richtplans eingeführt wurde, ist man ebenfalls überzeugt von digitaler Partizipation. «Die Software nimmt den Behörden monotone, fehleranfällige administrative Arbeit ab und ermöglicht ihnen die Konzentration aufs Wesentliche», sagt Roger Sonderegger, Leiter Amt für Raumentwicklung und Verkehr. So etwas habe Zukunft. Künftig werde diese Form der Partizipation noch viel wichtiger.

Die Software nimmt den Behörden monotone, fehleranfällige administrative Arbeit ab und ermöglicht ihnen die Konzentration aufs Wesentliche

Roger Sonderegger
Leiter Amt für Raumentwicklung und Verkehr, Kanton Obwalden
Roger Sonderegger

Auch Marc Lutzmann, Abteilungsleiter Bau in Unterägeri, wo kürzlich der Video-Dialograum geöffnet wurde, sieht die digitale Bürgerbeteiligung auf dem Vormarsch. Schon heute würden immer mehr Unterlagen online gestellt. «Die klassische, nur im Bauamt einsehbare Aktenauflage gehört der Vergangenheit an.» E-Partizipation spreche auch ein jüngeres Publikum an, wodurch sich das Spektrum der Rückmeldungen bei Planungsvorhaben vergrössere. Lutzmann hält es für denkbar, «dass zumindest einfachere Ortsplanungsrevisionen bald ganz ohne Vor-Ort-Veranstaltungen durchführbar sind.» Sie liefen dann gänzlich virtuell ab.

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